Hatte gerade wieder so einen Retro-Gaming-Koller - um 2:00 Uhr nachts saß ich vor meinem Atari-ST-Emulator (Steem), spielte Infocoms "Moonmist" und träumte von einer Renaissance des Textadventure-Genres... Nebenbei studierte ich die alten Handbücher zum Spiel und kam beim Betrachten der Illustrationen in's Grübeln - wie haben die wohl diese Grafiken erzeugt? Ob man in den 80er Jahren echte Stiche anfertigen ließ? Wohl kaum. Nachdem mir auch gestandenen Grafiker nicht wirklich weiterhelfen konnten, musste es mal wieder das Web richten. Stich = engl. "Engraving" goto Google. Und siehe da: Bei PSDTUTS gibt es ein Photoshop-Tutorial. Und Andromeda haben den Cutline-Filter im Angebot.
Nachteile der Tutorial-Lösung: Bereits die Grundgrafik ist sehr detailliert, die anderen Linien quasi darübergestülpt und eigentlich gar keine große Verbesserung. Dafür ist es verdammt viel Arbeit und am Ende hat man ein Bild in einer festen Größe. Hm. Die zweite Möglichkeit wäre ein Renderer wie Illustrate! für 3Dmax, oder Penguin für Rhino3D. Mit etwas Feinarbeit kann man da sicher ganz brauchbare Zeichnungen generieren. Eines der besten Plug-Ins aller Zeiten war übrigens "Inklination FineArt" für Quickdraw3D und somit für ausgestorbene Programme wie Infini-D. Da entstanden wirklich 3D-Bilder, die wie Bleistiftzeichnungen aussahen. Und da man die Auflösung und Perspektive selbst bestimmt, sicher die komfortabelste Möglichkeit, sehr viel Handarbeit vorzutäuschen! Aber ein Stich ist das dann trotzdem nicht.
Die dritte Möglichkeit, die ich fand: Eine Vektorgrafik mit dem kostenlosen Inkscape im Stich-Look erstellen. Das Programm hat einen Kalligraphie-Stift, der mit etwas Feinarbeit diese unregelmäßig regelmäßigen Linien erzeugt:
Das ist zwar auch reine Handarbeit und die Ergebnisse somit schwer von der künstlerischen Begabung des Users abhängig. Dafür hat man aber eine beliebig skalierbare Grafik, die einem Stich schon sehr ähnlich sieht. Weitere Infos gibt es hier im Inkscape Wiki. Zum Schluss noch ein Meister seines Fachs: Der Franzose Gustave Doré (1832 - 1883).
Update: Wer die Schnellbesohlung bevorzugt (und wer tut das nicht) – hier ein Screenshot der aktuellen, deutschen Inkscape-Version (März 2014) mit der genialen semiautomatischen “Trace Backround”-Funktion:
- Graustufenbild laden
- Kalligrafie-Werkzeug auswählen (STRG + F6)
- In der Werkzeugleiste (oben) die Option “Nachzeichnen” aktivieren
- Eine Linie vorzeichnen (egal mit welchem Stift)
- Kalligrafie-Werkzeug wählen (STRG + F6)
- STRG drücken und in der Nähe der ersten Linie eine weitere zeichnen (ein variabler Kreis (= Abstand) erscheint)
- STRG gedrückt halten, dann wird automatisch die neue Linie zur Vorlage!
Update: Die “Thinning/thickening”-Funktion (siehe erstes Bild) aktiviert man mittlerweile anders: Sie hat ein eigenes Icon auf der linken Seite (das dritte von oben, die “Welle”) und wird über UMSCHALT + F2 aufgerufen.
Update: Totaler Geheimtipp aus Russland: StrokesMaker! Ich finde da keine Bestell-Möglichkeit, aber eine (englische) Demoversion gibt es immerhin.
Update: Wer es lieber wissenschaftlich mag: Auf dem Server der Université de Montréal fand ich eine sehr schöne Arbeit von Professor Victor Ostromoukhov (PDF) von der aus dem Jahre 1999 (zur damaligen Siggraph) zum Thema.
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